Myriam Holme verfolgt seit Jahrzehnten dezidiert einen erweiterten Malereibegriff, der malerische Setzungen auch ins skulpturale und installative Feld ausweitet und nach Gattungsparametern der Kunst per se fragt. Zunehmend transformiert sie in ihren vielschichtigen Arbeiten auch Fundstücke in Kunst, die noch eine Ahnung von der vorherigen Nutzung des Materials in sich tragen und einen Möglichkeitsraum eröffnen, der auf ganz eigene Weise über Historizität von Kunst und Materie berichtet.
Die Spuren des Materials zeugen von dessen Geschichte und gestalten in ihrer Kombination mit ästhetischen Neusetzungen alternative Narrative. Dabei unterliegt den Arbeiten eine Zeitlichkeit per se, die nahezu haptisch erfahrbar zu werden scheint. Offene Narrative prägen die abstrakten Werke, die die Materialgenese des malerisch-skulpturalen Prozesses offenlegen und doch nie eindeutig werden lassen.
Dabei stehen vorhandene Farbspuren neben fast gestischem Farbauftrag sowie graphischen Strukturen. Bewusste malerische Gesten rahmen Zeichen der Zeit im Material und bilden mit Zufallssetzungen ein Ganzes. Viele Prozesse stößt die Künstlerin an, um dann beispielsweise in rückwärts gearbeiteten Bildstrukturen den Eigengesetzlichkeiten der Reaktionen unterschiedlicher Materialien miteinander nachzuspüren. Diese Prozesse initiiert Myriam Holme und lenkt sie mit ihrem umfangreichen Materialwissen ohne sie als perfekten malerischen Pinselstrich zu determinieren. Vielmehr lässt sie der Prozessualität und Reaktionsfähigkeit in ihrer Arbeitsweise selbst Raum, wodurch diese eine besondere Kraft ausbilden. Denn die verschiedenen malerischen Momente, die Myriam Holme innerhalb eines Werkes oft in Schichtungen miteinander vereint, eröffnen eine erstaunliche Tiefe, die mit Überlagerungen, Sicht- und Unsichtbarkeiten spielt und immer wieder Neues entdecken lässt.
Myriam Holmes Bildfindungen sind dabei jedoch nie vollständig dem Zufall überlassen, sondern sehr genau innerhalb dieses Prozesses konzipiert. Jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit den variierenden Materialien sowie ein ausgeprägtes Farb- und Formgefühl lenken die spontan getroffenen Entscheidungen und prägen die Werke Myriam Holmes in dezidierter Autorschaft. Nicht selten werden in experimental angelegten Prozessen Materialien mit variierender Wertzuschreibung miteinander kombiniert. So trifft edel anmutendes Blattsilber auf die Oberfläche eines Kunststoff-Wertstoffsackes und transportiert aktuelle Fragen nach Recycling und dem Wert von Materialien in unserer Wegwerfgesellschaft.
Zugleich sind die Werke Myriam Holmes durch eine Feinheit und exakte Sorgfältigkeit in austarierter Balance geprägt. Diese zeigt sich in ihren Collagen ebenso wie in ihren malerischen Rauminstallationen. Trotz der Materialwucht verbogener und zerschnittener Metallplatten transportieren selbst Myriam Holmes raumfüllende, hängende skulpturale Malereien eine erstaunliche Zartheit und Grazilität.
Entscheidend bei den neuen Werkserien Myriam Holmes ist, dass sie genuin aus dem Material heraus gedacht sind, was ihre besondere Stärke und Dichte hervorbringt. Von der Wand oder dem Boden ausgehend, erweitern sich ihre malerischen Setzungen in den Raum hinein und transportieren die Prozesshaftigkeit ihres Entstehungswegs auch im abgeschlossenen Zustand. Dabei sind die variierenden Reaktionen der verwendeten Materialien miteinander stets konstitutiver Teil der genauen und sehr feinen, aber nichtsdestotrotz kraftvollen Kompositionen Myriam Holmes. Leichtigkeit und gleichzeitige Bestimmtheit prägen die zarten Erkundungen der Möglichkeiten des Malerischen im Raum.
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