Mark Francis zählt zu den bekanntesten britischen Malern der Gegenwart – aus gutem Grund. Seine Gemälde erreichen eine enorme Strahl- und Ausdruckskraft obwohl sie kein konkretes Motiv zu haben scheinen. Auf intensiv leuchtenden Flächen zeigt er konzentrierte Strukturen, Raster und Formationen, deren Wirkung durch Farbkontraste und Unschärfen noch verstärkt werden.
Auf manchen Leinwänden wirken die teils unscharfen Strukturen wie glühendes Licht. Die Attraktivität der Arbeiten geht zum Einen von dieser intensiven Wirkung aus.
Zum zweiten wecken die Bilder auch oft Assoziationen, die weniger konkret sind, als dass sie vielmehr empfunden werden. Bei der Beschreibung der Arbeiten fallen oft Begriffe wie Netzwerk, Geschwindigkeit oder Klang. Diese Perspektive unterstützt Mark Francis durch seine Titel. 'Sound Echo', 'Trembler' oder 'Veil' verweisen gelegentlich auf den Ausgangspunkt der jeweiligen Arbeit.
Seit seiner Schulzeit interessiert sich Francis für mathematisch-biologische und für künstlerische Themen. Die Schnittmenge bildet heute die Grundlage seiner Arbeiten: Er muss nicht mehr zwischen Naturwissenschaft und Kunst wählen, er verbindet beides. In den neunziger Jahren öffnete ihm der Blick ins Elektronenmikroskop den Zugang zu einer stets vorhanden, aber nie sichtbaren Welt, die von Ordnungsprozessen wie Raster, Kristallisationen oder Netzwerken gegliedert wird. Diese Systeme werden naturwissenschaftlich erfasst, beschrieben und bewertet. Francis geht einen Schritt weiter, indem er die Systeme aus ihrem Kontext löst und um ihrer Selbst willen in ihrer gestalterischen Kraft sichtbar macht. Systeme und Regelmäßigkeiten wie Pilzgeflechte, Spermien oder Kristalle sind der Ausgangspunkt seiner Bilder. Dabei geht es nicht darum, das System erkennbar wiederzugeben. Es bildet nur den Ausgangspunkt, ab dem dann der malerische Prozess mit allen damit verbunden materiellen Möglichkeiten und Beschränkungen übernimmt. Am Ende hat das Werk den Geist des Ursprungs als Grundlage bewahrt, sich davon aber völlig gelöst. Die Naturwissenschaft mag der Ausgangspunkt sein, aber mit dem Beginn der Arbeit übernimmt die Kunst die weitere Erzählung.
So transformiert Mark Francis zum Beispiel das Prinzip unsichtbaren, manchmal sogar unhörbaren Klanges ins Sichtbare. Das bedeutet aber nicht, dass man seine Bilder im Umkehrschluss vertonen könnte. Durch den künstlerischen Prozess ist eine abstrakte Idee von Klingen und Rhythmus sichtbar geworden. Bewegung und Vibration sind sofort assoziativ greifbar, ohne dass die Assoziation sich konkret einlösen ließe.
Solche Regelmäßigkeiten und Raster sieht Mark Francis überall. Den Blick vom Mikrokosmos in den Makrokosmos gewendet, sind für ihn Chaos und Ordnung in Stadtplänen, astronomischen Formationen oder Geflechten gegenwärtig. Wo die Wissenschaft informiert, öffnet seine Kunst den Blick ins Wunder, das Unbegreifbare. Damit erfüllt er eine Erwartungshaltung, die seit dem frühen Mittelalter an die Kunst herangetragen wurde: Ein Fenster zu einer Welt hinter der Realität aufzustoßen. Sternbilder werden zu Imaginationsräumen und Netzwerke zu Kommunikationslinien.
Deswegen sind Francis‘ Arbeiten abstrakt im besten Sinne. Das Verb 'abstrahere' bedeutet im Lateinischen soviel wie abziehen, abnehmen. Wo die Gegenstandslose Kunst kein Motiv mehr besitzt, bleibt in Francis‘ abstrakten Motiven das Echo der Ausgangsidee spürbar. Das erklärt die Anziehungskraft, die die Bilder ausüben. Man ist sich nicht sicher, was man sieht, aber man ist sich sicher, dass man es ahnen könnte.
Solche Assoziationen unterstützt Mark Francis dezidiert. Genauso wie sein Weg von der Inspiration in die Abstraktion paradoxerweise vom nicht Sichtbaren ins Sichtbare führt, genauso frei darf der Betrachter die Bilder in seine Vorstellungswelt integrieren.
So leicht und selbstverständlich sich dieser Prozess auch anhört, so aufwendig und geplant geht Francis vor: Die Vorbereitung eines Bildes dauert mitunter Tage bis Wochen. Neben dem Grundkonzept und der Auseinandersetzung mit der Inspiration ist es vor allem die Arbeit mit der Leinwand, die gut vorbereitet sein muss. Da er alla prima, also nass in nass malt, ist für die Wirkung und den Ausdruck der jeweiligen Arbeit entscheidend, ob die Oberfläche der Leinwand grundiert wird oder nicht, wie glatt der Malgrund sein wird, wie der Farbauftrag gesteuert werden wird etc. Das Konzept existiert vorher, die weitere Entwicklung und das Motiv selbst entsteht im malerischen Prozess – Dieses grundlegende Verhältnis zwischen Ordnung und Chaos zwischen Plan und Spontaneität zwischen Kontrast und Farbe macht Mark Francis Bilder so bemerkenswert.
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