Die architektonischen Skulpturen von Renato Nicolodi bilden ein Universum, das aus verschiedenen Gründen einen besonderen Platz in der Geschichte der zeitgenössischen Kunst einnimmt. In erster Linie vielleicht wegen der Vielzahl von Materialien, mit denen er sein Werk gestaltet: Zement, Stahl, Holz, Keramikfliesen, Papier und Leinwand.
Seit seiner künstlerischen Ausbildung als Maler an der Sint-Lukas-Kunsthochschule in Brüssel (1999) hat ihn die Malerei nie verlassen, aber im Laufe der Zeit hat er sich immer mehr danach gesehnt, Bilder in Skulpturen zu verwandeln. Im Jahr 2007 schloss er sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Gent ab. Seitdem hat er den Weg vom Maler zum Bildhauer, also vom zweidimensionalen zum dreidimensionalen Künstler, nicht mehr verlassen.
Im Laufe der Jahre nehmen seine Skulpturen immer mehr Raum ein und erinnern oft an historische, größenwahnsinnige Projekte wie Pyramiden, Triumphbögen und Sonnentempel, halten aber meist die Balance zwischen kleinteiligem Modellbau und minimalistischer Monumentalität. Durch den geometrischen Aufbau, die Regelmäßigkeit und Symmetrie, den kompakten und nach innen gerichteten Charakter seiner Skulpturen gelingt es ihm stets, rätselhafte und verfremdende Werke zu schaffen. Seine Familiengeschichte, insbesondere die seines italienischen Großvaters (er diente während des Zweiten Weltkriegs in Mussolinis Armee und arbeitete später als Kriegsgefangener der Deutschen am Atlantikwall), hat ihn stark beeinflusst. Nicolodi übersetzt dieses autobiografische Thema jedoch in eine universelle menschliche Geschichte. Viele seiner Werke scheinen auch ständig um einen zentralen Punkt zu kreisen, ein schwarzes Loch, das ungefüllt bleibt, unzugänglich, aber immer einladend. Sie laden zu spirituellen Reisen in das unbekannte Land ein, irgendwo auf der anderen Seite, durch das schwarze Loch hindurch, aber immer darüber hinaus. Die Vision, die der Einzelne von sich selbst hat, kann sich hier in aller Ruhe und Schönheit weiterentwickeln.
Als Interaktion zwischen einer biografisch gehegten Familie und universellen Sehnsüchten, zwischen dem Licht und der Dunkelheit, von der alle Religionen sprechen, und zwischen den unwiderruflichen Kategorien von Geburt und Tod, befassen sich seine Werke unwiderruflich mit den Grundlagen des Lebens. Aufgrund ihrer monumentalen Dimensionen, die als solche realisiert oder auch nur in aller Schlichtheit evoziert werden, wenden sich diese Architekturen natürlich zuerst an die kollektive Menschheit, wo sie einen Platz inmitten der Massen für sich beanspruchen. Aber ohne die Pilgerreise des einzelnen Besuchers ist jede Suche nach Erinnerung und Sinn natürlich sinnlos.
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