In der Kunst ist das Vorstellungsvermögen Segen und Fluch gleichermaßen. Jedes Bild wird in der Betrachtung zum Kommunikator, erschließt geistige Räume oder wird, als sperrig wahrgenommen, zum gegnerischen Gegenüber, das erobert werden will oder gleich auf gänzliche Ablehnung stößt. Ob man will oder nicht, unser Geist möchte etwas erkennen, will sich orientieren, nimmt seine Erfahrungen zu Rate – und ohne Orientierung kämen wir nicht durchs Leben. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Kunst ganz allgemein. In der Ausstellung visual semiotics jedoch gehen die Künstlerinnen und Künstler ganz explizit mit der Verständlichkeit der Bildwerke um, reizen sozusagen die Sinne mit vermeintlich lesbaren Formationen und Inhalten. Alle Bilder der Ausstellung kann man als abstrakt bezeichnen, sind sie doch nicht illusionistisch abbildend, sondern reichern sich gerade durch ihre formale Vieldeutigkeit mit Bedeutungsmöglichkeiten an. Thomas Locher (geb. 1956) etwa dekliniert „uns“ durch und stellt dies in Kreuzform dar. Bei einem weiteren Werk benutzt er eine System-andeutende Zahlenfolge und eröffnet somit ein Verständnis- bzw. Unverständnisfeld. Form und Farbe sind in der Kunst die Ingredienzien der Erscheinung und waren es immer, doch die Lesbarkeit eines Bildes geht natürlich weiter und hat sich über die Zivilisationsgeschichte stark entwickelt. Mit der Technikentwicklung hat sich naturgemäß auch unsere Bilderfahrung erweitert. Waren etwa Streifen einmal einfach Streifen, so stehen sie auch für die Möglichkeit von Codes. Im Falle der Malereien von Herbert Hinteregger (geb. 1970) können sie vielfältiger und offener betrachtet werden, übernehmen der reliefartige Auftrag und die Farbmaterialien die Hauptrolle, wobei sich die Inszenierung in der Ausstellung über das Bild hinaus auf die Wand und in den Raum hinein erstreckt. Eine Reihung von Zeichen erscheinen bei Nadine Fecht (geb. 1976) von weitem als Grauwert, der gleichzeitig den Inhalt versteckt, für den man sprichwörtlich nähertreten muss. So werden ja beispielsweise Milliarden von Schulden unübersichtlich, kleine Geldsorgen jedoch schnell drückend sichtbar. Wilhelm Mundt (geb. 1959) zeigt einen seiner „Trashstones“ und setzt mit der Umsetzung von Abfall zu glänzenden Skulpturen ein besonderes Zivilisationszeichen. Vermeintliche Präzision ist bei Zeichen, wie etwa bei Verkehrszeichen, Konvention als Abmachung, um zu regeln oder zu zeigen, und will somit auf Vertrauen bauen. Albrecht Schnider (geb. 1958) Gemälde benutzen solchen Umstand, basieren jedoch auf der freien Hand, die diese Formen ohne Bedeutung bestimmten. Mit Struktur, die Orientierung verspricht und mit Leichtigkeit und Komposition, Form und Farbe vorführt, führt Karim Noureldin (geb. 1967) eine Tradition fort, die tief in fast allen Kulturen verankert ist. Versteckte Zeichenhaftigkeit, vermeintliche Bedeutungstiefe und Farbigkeit, die oft geradezu apokalyptisch anmutet setzt Dana Greiner (geb. 1988) ein und unterläuft so allgemein ästhetische Vorstellungen und bedient sich dabei den kulturellen Bedingungen von Unsicherheit. Präzision und Handwerklichkeit als Voraussetzung von Kunst sind ein altes Klischee. Nicolas Jasmin (geb. 1967) übergibt seine flächenmalerisch angelegten Arbeiten der Ausstellung einem Laserstrahler, der Teilflächen der Bilder „überarbeitet“ und damit die Farbvaleurs ändert. Autorenschaft wird somit technisch delegiert, Lesbarkeit einer äußeren, der technischen Industriewelt zuzuordnenden Präzision teilüberantwortet. Ernst Caramelle (geb. 1952) schließlich befragt in der Ausstellung Illusion und Realität abstrakt über Flächenmalerei, zeigt Räumlichkeit in seinen Bildern als geistige Konvention im Umgang mit Farbe und Erfahrung, mit Vertrautheit und Unmöglichkeit.
Text: Axel Jablonski
Ausgestellte Werke
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