Einführung Dr. Martin Stather, Mannheimer Kunstverein
Es ist ein Gemeinplatz, daß letztlich alle Malerei abstrakt ist, da sie immer von der Wirklichkeit abstrahiert und eine neue Wirklichkeit auf die Leinwand bannt. Eine zweidimensionale Abbildung einer vierdimensionalen Wirklichkeit (vier Dimensionen, da die Zeit schließlich eine wichtige Rolle spielt und erst Bewegung ermöglicht) reduziert automatisch und so sind selbst figürliche Darstellungen die Summe abstrakter Teile. Ein Gemeinplatz, wie gesagt, aber einer, den man sich von Zeit zu Zeit vergegenwärtigen muß, um die Struktur der Malerei besser zu verstehen. Mit Malewitsch hat die „reine“ Abstraktion, die Gegenstandslosigkeit, Eingang in die Bildende Kunst gefunden, kaum zu glauben, daß das schon wieder fast ein Jahrhundert her ist. Pusenkoffs Arbeiten haben von je her eine Dualität von Abstraktion und Gegenstand aufgewiesen – bereits in den frühen Bildern setzt er figürliche Darstellungen gegen Farbflächen, die mit der Darstellung faktisch konkurrieren, immer deutlich machen, daß hier sowohl unterschiedliche, historische malerische Ansätze miteinander leben müssen, als auch die Tatsache bewußt machen, daß es sich bei dieser Malerei um eine intellektuelle Konstruktion handelt, einen virtuellen Raum, der eher parallel zur Wirklichkeit existiert als diese tatsächlich nachbilden will. Bei dieser Ausstellung wurden ganz bewußt nur „abstrakte“ Arbeiten versammelt, die sogenannten „Digital Field Paintings“, eine Serie, die im vergangenen Jahr begonnen wurde und natürlich auf den Erfahrungen der früheren Bilder etwa der Serie „Liquid Geometry“ aufbaut. Die Malerei als Malerei wird in diesen Arbeiten zentral thematisiert, der Bildraum gewinnt eine Wichtigkeit, die zur Reduktion des Sujets führt. Und siehe da, eine einfache, abstrakte Linie, die kaum mehr beschreibt als den Umriß eines Quadrates, wird selbst zum Sujet. Pusenkoff nimmt also sozusagen die Malerei unter die Lupe und dringt in Räume vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Was zunächst wie eine unglaubliche Vergrößerung wirkt, läßt im Bildraum Spannung und Energetik entstehen, um mit den Worten des Künstlers zu sprechen. Die Farbe beginnt zu vibrieren, die schwarze Lineatur wirkt als Skelett, als Gitterrahmen, der der Farbe sowohl Struktur als auch Freiheit gibt, da er sie partiell einengt und gleichzeitig entgrenzt. Da Pusenkoff außer Maler auch noch Informatiker ist, erscheint es mehr als logisch, wenn er sich in der Kunst des Computers bedient und diesen als modernes Informationsterminal, das uns mit der ganzen Welt verbindet, mit der Malerei verbindet. Informationstechnologie und Malerei gehen bei George Pusenkoff eine enge Verbindung ein; beide sind Träger und Vermittler von Information. Malerische Strukturen, gleich welcher Art, ob abstrakt oder figürlich, werden durch den Filter des Computers geschickt, der binäre Code formatiert das Bild neu. In früheren Zeiten sind die Künstler etwa nach Italien gereist, um die Originale vor Ort studieren zu können. Heute lädt man sich die Bilder aus dem Internet auf den Bildschirm. In seiner Serie der großen Meister hat Pusenkoff mit Ausschnitten aus Leonardos Mona Lisa, Brueghels Heimkehr von der Jagd, Manets Frühstück im Freien und anderen diese Tatsache bewußt gemacht. Gleichzeitig hat er auf die Manipulierbarkeit der Bilder und ihre universelle Verfügbarkeit aufmerksam gemacht, auf ihre zeitgenössische Adaption und Rezeption, die des Originals offenbar kaum mehr bedarf. Malewitschs Schwarzes Quadrat, in seiner Adaption von der Mitte der 90er Jahre mit Computertaskleiste bezeichnet der Künstler zu Recht als erstes Schwarzes Quadrat, das unabhängig von Malewitsch war, da nur die Taskleisten gemalt waren und nicht das Quadrat, das nichts anderes als ein schwarzes Pixel in Größe des Dateifensters war. Das Pixel als Informationsquant macht bewußt, daß unsere Wahrnehmung heute zwischen digital und analog auf einem schmalen Grat spazieren geht, sich gerade durch den Computer radikaler verändert hat, als uns dies bislang bewußt geworden ist. Deutlich wird bei den hier gezeigten Bildern, daß auch die Geometrie sowohl abstrakt wie auch figurativ wahrgenommen werden kann, die wahrnehmbaren Pixel behaupten eine eigene Form der Informationsübermittlung, die im Bild dominant wird. Bereits 1997 wird in „Hommage to the Pixel“ die Gestaltungskraft des binären Codes beschworen und gleichberechtigt zur Malerei ins Bild gesetzt, indem er selbst Malerei wird. Pusenkoff setzt den Computer in kongenialer Weise für seine Malerei ein und verändert damit die Malerei. Die besten Künstler ihrer jeweiligen Zeit haben sich immer der neuesten Erfindungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse bedient und so die Kunst nicht nur auf der Höhe ihrer Zeit gehalten, sondern Dinge vorweggenommen, die oft erst viel später erkannt wurden. George Pusenkoff steht zweifellos in dieser Tradition.
Martin Stather
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