In der Mitte des Porträts – nichts. Nein, ein leerer Raum. Daniele Buetti hat das Gesicht herausgeschnitten und eine Spiegelfläche eingesetzt. Ständen wir davor, würden wir uns darin spiegeln. "Don’t talk to me", herrscht uns das gesichtslose Wesen an. Nein, es geht nicht um Dialog. Nicht um einen verbalen Austausch zwischen zwei Personen, deren Gesichter die Aussagen des Gegenübers spiegeln. Stattdessen schauen wir uns selbst entgegen.
Führen wir uns vor Augen, mit welchem Eifer und Übermass heute Smartphones gezückt und Selfies geknipst werden, wird uns klar: Wir leben in einem durch und durch narzisstischen Zeitalter. Oder, um einen Begriff des Soziologen Andreas Reckwitz zu verwenden, in einer Zeit der «Singularisierung» aller möglichen Lebensentscheide. Wir werden vom steten Bedürfnis getrieben, das eigene Leben als etwas Besonderes erscheinen zu lassen. Rundum treffen wir auf ausufernde Selbstbezogenheit, Selbstverwirklichung und Selbstvermarktung – und sind selbst darin gefangen. Ungezählte Male pro Tag werfen wir, gewollt oder ungewollt, einen prüfenden Blick in den Spiegel – zu Hause, im Lift, vor spiegelnden Fassaden oder in den Brillengläsern des Gegenübers. Früher wurden im Trauerhaus die Spiegel verhängt, heute haften diesen nichts Unziemliches oder Unheimliches mehr an.
Sind wir nun alles Selbstoptimierer und Narzissten? Was zeichnet diese aus? Buettis gesichtslose Porträts stossen diverse Fragen an: Sie lassen uns ebenso über soziologische Aspekte wie auch über ästhetische und kunsthistorische Themen nachdenken: Waren Gemälde über Jahrtausende Heiligenbilder oder Fenster, die den Blick in einen anderen geistigen Raum öffneten, was sind dann Bilder heute? Spiegel? Und was sehen wir, wenn nicht unser eigenes Spiegelbild?
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