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Ausstellung

Re-Production
Re-Production
Thomas Locher, Gerwald Rockenschaub
Re-Production
23.11.2002 - 25.01.2003
Gruppenausstellung kuratiert von Thomas Locher, Einführung: Dr. Necmi Sönmez, Kurator

Der Begriff der Reproduktion, abgeleitet von Produktion, ist ein eher junger Begriff in Terminologien der Wissenschaft und Philosophie. Seit Marx ist Reproduktion ein fester Bestandteil ökonomischer Theorie: Reproduktion ist gesellschaftlich notwendig, da ein gesellschaftlicher Produktionsprozess gleichermaßen Reproduktionsprozess ist. In der Analyse der Eigenschaften der industriellen Produkte stellen wir fest: sie sind gleich, aber nicht identisch. Und: Reproduktion ist nicht nur eine Wiederholung der Produktion sondern eine reflexive Produktion, eine Produktion aus Produkten. So jedenfalls die Systemtheorie. Das Verhältnis von Produkt, Produktion, Reproduktion, Ware, Wert und Bedeutung ist ein komplexes Verhältnis. Was das Kunstwerk in diesem Zusammenhang noch von der industriellen Ware unterscheidet: das Kunstwerk ist als Produkt auf Dauer ausgerichtet, während das industrielle Produkt vergänglich ist, die wesentliche Eigenschaft des industriellen Produkts ist seine Sterblichkeit. Gegenwärtige Strategien in der Herstellung von Kunstwerken, und das seit Beginn des 20.Jh., bedienen sich der Techniken industrieller Reproduktionverfahren: auf einer pragmatischen Ebene werden gegebene Bilder und Texte reproduktiv verwendet. Meist werden sie photomechanisch reproduziert und/oder in digitalen Speicherverfahren verändert. Seit Duchamps ready made ist die Verwendung existentem Materials allgemeines Paradigma. Was aber nicht heißt, daß alles, was an verfügbarem Material existiert, reproduktionsfähig ist im Sinne von Bedeutung. Alles ist verfügbar, aber nicht alles gleichwertig. Aus dem Bereich der profanen Warenobjekte und den profanen Bildern der Massenmedien muss also sorgfältig ausgesucht werden. Interessant ist: den Objekten oder den Abbildungen, die ausgesucht sind reproduziert oder in einen anderen Kontext gestellt zu werden, wird ein verborgener unbewusster Wert unterstellt. Dieser Wert wird in den anderen kulturellen Kontext ( z.B.: Museum ) hinübergerettet und schreibt dem Künstler wiederum die besondere Kompetenz zu, genau dieses Unbewusste erkannt zu haben. Daß diese fiktionale Konstruktion funktioniert liegt an der Tatsache, daß das Warenobjekt schon den Zustand eines natürlichen Objekts erreicht hat und wir theoretisch die exakte Grenzziehung zwischen Natur und Ding, zwischen Bild und Inhalt nicht mehr vornehmen können.
In der Theorie der Kommunikation ist das Verhältnis von Botschaft zu ihrer Reproduzierbarkeit deshalb ein Schema, weil bei der Sendung von Botschaften das Unvorhergesehene vermieden werden muss, soll die Botschaft verstanden werden. Etwas als etwas Neues zu senden setzt eine Veränderung des Codes voraus. Das ist in zweifacher Hinsicht kompliziert: entweder kommt die Botschaft beim Empfänger nicht an oder das Verstehen der Botschaft dauert sehr lange. Ein gutes Beispiel ist auch hier Duchamp. Die Rezeption von Botschaften kann sich verzögern, aber diese Verzögerung sollte nicht allzu lange dauern. Denn in der gegenwärtigen Ökonomie muss die Ware unmittelbar als Ware erkannt werden. Alles andere wäre unproduktiv. Eine andere Lösung wäre, in einer quasi revolutionären Situation den Code gewaltsam und schlagartig zu ändern. Auch das ist kompliziert ist, deshalb verzichtet der Sender auf ungewöhnliche Botschaften und sendet das Bekannte. Fazit: der Empfänger muß also prinzipiell alle möglichen Botschaften kennen.
Reproduktionstechnologien sind nicht nur fester Bestandteil künstlerischer Produktion, möglicherweise gibt es gar keine Kunstproduktion außerhalb des technisch festgelegten Rahmens. Künstlerische Produktion, die ihrem eigenen Verständnis nach nicht reproduktiv sein will, ist also vom Reproduktiven bereits kontaminiert. Im Übrigen ist das Reproduziertwerden des Artefakts notwendiger Beweis seiner Existenz: wenn das Kunstwerk in den Beobachtungsmedien nicht als Reproduktion existiert, existiert es überhaupt nicht. Die Vermutung, daß das Artefakt durch seine Reproduktion seinen singularen Wert verliert, ist umgekehrt worden: erst die massenhafte mediale Reproduktion garantiert dem Kunstwerk seinen Platz in den Archiven und Lagern des kulturellen Gedächtnisses (Boris Groys) und legitimiert sein Dasein dort. Und: es ist die eindeutige Plazierung in diesen Archiven, die die Frage nach Wert, Bedeutung und Überleben erst ermöglicht. Die ideologische Umwertung der Objekte zu Artefakten, von profaner Bildlichkeit zur erhabener Visualität, all die Prozesse der Aneignung, Appropriation, Dekonstruktion bereits an anderen Orten archivierten Materials sind Vorgänge, die theoretisch und kritisch nur partiell reflektiert worden sind. Eine endgültige Theorie der Produktion/Reproduktion steht noch aus. Sie kann und wird auch hier nicht geleistet werden. Im Grunde ist gegenwärtige Kunstproduktion die Transformation von verschiedenen Aufbewahrungsorten: von einem kulturellen Kontext in den anderen, von einem Lager ins nächste Lager. Hin und her, auf und ab.
Werke von:
Pash Buzari, Raphael und Tobias Danke, Eva Grubinger, Markus Huemer, Kathrin Kaps, Markus Keibel, Joseph Kosuth, Thomas Locher, Ines Lombardi, Rudi Molacek, Stephen Prina, Gerwald Rockenschaub, Stefan Römer, Aldo Runfola, Pietro Sanguineti, Heidi Specker, Haim Steinbach, Rudolf Stingel, Rirkrit Tiravanija, Rolf Walz, Christopher Williams, Peter Zimmermann
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