Eröffnung: 12. Juni 2025, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 13. Juni – 30. August 2025
Daniel Richs Gemälde sind Fenster zu einer Welt, in der Architektur als stummer Zeuge politischer und gesellschaftlicher Ereignisse fungiert. In seinen Werken, die auf Fotografien aus Nachrichtenmedien, eigenen Aufnahmen oder digitalen Bildquellen basieren, begegnen uns Fassaden, Innenräume und Stadtlandschaften, die auf den ersten Blick makellos und anonym erscheinen – doch unter ihrer glatten Oberfläche verbergen sich komplexe Geschichten von Macht, Utopie und Wandel.
Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt sich Rich mit den Oberflächen und Strukturen von Bauten, deren Bedeutung weit über ihre Funktion hinausgeht. Seine Motive reichen von ikonischen Hochhäusern in den USA über sozialistische Wohnblöcke in Berlin bis hin zu Symbolen der Moderne wie Le Corbusiers Unité d’Habitation oder dem Palazzo della Civiltà Italiana in Rom. Viele dieser Orte sind Schauplätze historischer Umbrüche, politischer Konflikte oder gesellschaftlicher Experimente. Richs Gemälde „lesen“ diese Gebäude als Archive kollektiver Erinnerung: Sie sind Projektionsflächen für gesellschaftliche Ideale und deren Scheitern, für Machtansprüche und deren Wandel.
In den Arbeiten zu der aktuellen Ausstellung Passagen öffnet Rich den Blick auf menschenleere Innenräume. Diese Interieurs, inspiriert von historischen Vorbildern wie Oskar Schlemmers Bauhaus Stairway oder literarischen Bezügen zu Hans Fallada, laden die Betrachtenden ein, sich selbst in die Szene hineinzudenken: als Beobachter, als Gast, als Voyeur. Die Leere der Räume erzeugt eine beklemmende Stille – sie verweist auf das, was war, und das, was kommen könnte. Gerade im Fehlen des Menschen wird die Architektur zum Spiegel gesellschaftlicher Zustände, zur Bühne für das Unsichtbare.
Richs Malprozess ist ebenso präzise wie zeitintensiv: Ausgangspunkt ist ein fotografisches Bild, das vom Künstler durch digitale Bearbeitung in einen neuen ästhetischen und inhaltlichen Kontext überführt wird. Mit Hilfe von Schablonen und einer an den Siebdruck erinnernden Technik trägt er Schicht für Schicht Acrylfarbe auf, bevor er mit einem feinen Pinsel die letzten Details setzt. Das Ergebnis sind flächige, beinahe hyperrealistische Gemälde, deren Klarheit und Strenge an die Neue Sachlichkeit oder die fotografische Präzision von Bernd und Hilla Becher erinnern – und doch bleibt immer eine irritierende Unwirklichkeit, ein Moment der Verunsicherung.
Ob Bankenhochhäuser, Regierungsgebäude oder soziale Wohnprojekte: Richs Auswahl der Motive ist nie beliebig. Seine Gemälde thematisieren „gescheiterte Utopien“ und die stete Veränderung politischer Machtstrukturen. So werden etwa die makellosen Fassaden von Bankzentralen zu Sinnbildern für die Unsichtbarkeit sozialer Ungleichheit, während sozialistische Wohnbauten zwischen Ideal und Isolation oszillieren. Die Gemälde sind dabei nie rein dokumentarisch, sondern stets auch Reflexionen über Wahrnehmung, Bildhaftigkeit und die Konstruktion von Wirklichkeit.
Das HKW Berlin - Haus der Kulturen der Welt - wurde 1957 als Kongresshalle vom amerikanischen-Architekten Hugh Stubbins erbaut und ist ein herausragendes Beispiel für Architektur als Machtdemonstration im Kalten Krieg. Die moderne Formensprache und technische Kühnheit mit dem doppelt gekrümmten Dach dienten als Propaganda für Demokratie, Fortschritt und geistige Freiheit und richteten sich gezielt an den Osten.
Auch die ehemalige Raststätte am Grenzübergang zur DDR Dreilinden, besser bekannt als Checkpoint Bravo am Rande Berlins, ist ein herausragendes Beispiel für westdeutsche Pop-Architektur während des Kalten Krieges. Das um 1970 vom Architekten Rainer G. Rümmler entworfene, heute denkmalgeschützte Gebäude, war bewusst als architektonisches Ausrufezeichen und als Kontrapunkt zu den funktionalen, grauen Zweckbauten der DDR-Grenzanlagen konzipiert und sollte den Reisenden schon beim Passieren des Kontrollpunkts die Lebensfreude, Offenheit und Modernität des Westens vermitteln.
Nicht zuletzt das Bauhaus in Dessau, dem Daniel Rich Werke wie Meisterhaus Kandinsky und Meisterhaus Klee widmet, war von Anfang an weit mehr als nur eine künstlerische oder architektonische Bewegung – es war zutiefst politisch geprägt und verstand sich als Teil eines gesellschaftlichen Aufbruchs.
Die Ausstellung Passagen bei Bernhard Knaus Fine Art versammelt zentrale Werke aus verschiedenen Schaffensphasen Daniel Richs. Sie lädt ein, Architektur als Durchgangsraum zu begreifen: als Passage zwischen Geschichte und Gegenwart, zwischen privatem und öffentlichem Raum, zwischen Sichtbarkeit und Verborgenem. Richs Bilder öffnen Fenster – nicht nur auf die Welt, sondern auch auf die verborgenen Strukturen, die unser Zusammenleben prägen.
Daniel Rich (*1977 in Ulm) lebt und arbeitet in Blowing Rock, North Carolina und Berlin. Seine Werke wurden international ausgestellt und sind in bedeutenden Sammlungen vertreten.
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